Allein reisen
Der Zug rattert, gleitet und neigt sich durch deutsche Geschichte: Von der ehem. preußischen Provinz Erfurt kommend sieht man bald links in Fahrtrichtung den Glockenturm auf dem Ettersberg, und rechts sogleich das dem Berg zu Füßen liegende Weimar, von dem ich bis dato nicht wusste, dass sein Wappen einen von Herzen bestreuten, züngelnden Löwen zeigt. Wenig später eröffnet sich das zauberhafte Panorama des Naturparks Saale-Unstrut-Triastal mit seinen Weinbergen und Märchenburgen - die Landschaft des Internatsschülers Friedrich Nietzsche.
Nun, je nach dem, ob man im IC oder ICE unterwegs ist, trennen sich die Schienen nach der Leopoldina-Stadt Halle oder dem urbanen Alleskönner Leipzig, wo ich am Samstag auf meinem Weg nach Berlin Halt gemacht habe. Wie melancholisch schön, durch den nachmittäglichen Herbst-Dunst im Park jenseits der Sachsenbrücke zu spazieren, Glühwein zu trinken, Enten zu füttern und mit dem Neffchen Fußball zu spielen, das ganz zum Stolz seiner Tante den Ball so geschickt am Füßchen führt, dass nur von Talent zu sprechen ist.
Gestern schweren Herzens weitergereist, weil nach Erfurt (Mama) und Weimar (kleine Schwester) nun mit Leipzig die ganze Familie auf der Strecke nach Nordosten zurückgelassen wurde und in Berlin immer Ungewissheit wartet. (Rein emotional gesehen.) Schließlich jedoch Empfang durch den Chauffeur mit Rosen aus eigener Zucht. Die letzten des Jahres. (Sind immer die Schönsten). Hauptbahnhof, obwohl Südkreuz näher liegt. Aber zur Wiederankunft wollte ich ein klein wenig Pathos: dort der Reichstag und das Kanzleramt, da die große Kunsthalle, die den abendlichen Himmel über Berlin bläulich illuminierte. Und wenn man aus dem Tunnel wieder auftaucht, dann leuchtet der Potsdamer Platz und strahlt die Philharmonie.
Der Chauffeur präsentierte dann seine neu erworbenen Muskeltrosse. Ich boxte dagegen (tatsächlich Stahl) und sagte: Dafür habe ich an innerer Stärke gewonnen.