Kunst ist Waffe. Weiße Lettern auf tiefrotem Grund - ganz Berlin Mitte war monatelang mit diesem Slogan plakatiert. Ein Urheber war nicht auszumachen - eine alte Werbemasche, um das Interesse wachzuhalten. Die Auflösung war dann verblüffender, als die Neugierde groß war. Geistiger Vater dieses Maxime ist der Arzt, Schriftsteller und Antifaschist Friedrich Wolf (1888-1953). Da dämmerte es dunkel aus meiner zwangssozialistischen Sozialisierung herauf: das Schauspiel über den jüdischen
Professor Mamlock - und unvergessen: das Drama um die
Weihnachtsgans Auguste.
Aber wieso, weshalb, warum wird ausgerechnet Friedrich Wolf, den ich vielleicht zu unrecht längst in der literaturhistorischen Mottenkiste wähnte, solch ein medialer Riesenbahnhof bereitet?
Die Spur zu dieses Rätsels Lösung führt von einer Absurdität in die nächste. Denn zunächst gibt es die Friedrich-Wolf-Gesellschaft, deren Internet-Präsenz an Biederkeit kaum zu unterbieten ist, die aber mit einem Intro startet, das jedem Bolschewisten das Agitprop-Herz höher schlagen ließe (Zitate wechseln bei jedem
Klick). Diese Pseudo-Kunst-Zitate sind so banal und unterkomplex und darin so künstlich aufgebläht, dass man sie ohne weiteres Tanja Dückers oder Juli Zeh zugeschrieben hätte. Für den Rhabarber verantwortlich zeichnet aber zuerst der Großaktionär Hans Wall, der sich aus irgend einem Grund den Kommunisten Friedrich Wolf als Abschreibungsobjekt auserkoren hat.
Nun gibt es im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur in der Berliner Friedrichstraße eine Ausstellung (20.10.07-04.11.07) über Friedrich Wolf, übertitelt mit:
Der Dichter und das Zeitgewissen. Zur Eröffnung sprach u.a. Vladimir Kotenev, seines Zeichens Botschafter der Russischen Föderation und auch einer von den Lupenreinen. Es sei nur an die Ausladung von Garri Kasparow aus Sabine Christiansens Sendung im letzten Dezember erinnert.
Aus dem Intro ein fiktiver Dialog zwischen Wolf und Wall:
Wolf:
Mut zur Wahrheit und Mut zur Verantwortung. Das ist das Erste.
Wall:
Und zugleich das Wichtigste und Schwerste, denn er bedeutet Zivilcourage. Ohne diesen Mut wird nichts gelingen, weder das eigene Leben noch das gesellschaftliche. Wie wichtig Zivilcourage ist, lässt sich durch alle Generationen und Zeitläufe beweisen.
Die Ausstellung wird übrigens gesponsert von
Gazprom Germania.