29
Okt
2008

Lebt wohl, Kinder!

Quelle

Gestern morgen 6.45 Uhr noch abschließend und nur zu "ihrer Beruhigung" Schnittbild vom Kopf. Was musste ich mir von einigen Mitpatienten vorher für Horrorgeschichten anhören, von Panik-Attacken in der Röhre, von Seelenfolter und Traumatisierung. Ich kannte zwar inzwischen meine Pappenheimer und wußte, wer gewiss übertrieb, aber selbst wenn nur die Hälfte stimmte, musste es ziemlich grausam sein, mit einem fixierten Kopf in einen engen Schacht geschoben zu werden. Allein, nur mit einer Notklingel in der Hand.
Also ließ ich mir vom Stationsarzt vorsichtshalber 25 mg meines Lieblingsneuroleptikums Prothazin verschreiben. Während ich den klaustrophobischen Gefahren mit Bangen entgegensah, freute ich mich auf die Geräusche.
Dem Erfahrungsbericht des Chauffeurs zufolge erwarteten mich kosmische Sinfonien. Aber um mich herum war nichts als Techno-Stakkato. Zur weiteren Beruhigung klopfte ich den stumpfen Rythmus auf meinem Bauch mit (alles unterhalb des Halses durfte leicht bewegt werden).
Nach zehn Minuten wurde ich erlöst.
Ich blickte auf den Bildschirm des Radiologen und fragte: "Ist das mein Gehirn?" - "Nein, das ist ein Herz." - - -

Zu heute habe ich mich entlassen lassen, nach fünf Wochen. In Berlin gibt es Dinge zu tun. (Und ich lasse mich ab Mittwoch in der Charité ambulant weiter behandeln.) Ich werde viel vermissen. Der "harte Kern", der sich in jeder Gruppe bildet, hat häufig so laut und viel gelacht und rumgealbert, dass die Schwestern streng guckten und klagten "Wir sind hier doch nicht im Kindergarten". Aber natürlich sind wir das - Psychiatrie ist Regression. Das ist Teil der Heilung.
Und auf dem Abschlussdokument habe ich angekreuzt, dass es mir "viel besser geht" als zu Beginn.

Es schneit riesengroße Flocken.

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https://anjaodra.twoday.net/stories/5286579/modTrackback

katiza - 30. Okt, 13:33

Und geht es Ihnen "viel besser", Infantin Anousch?

 
 


Anousch O. - 30. Okt, 14:16

Herzallerliebst!
Und es kommt nur darauf an, die Reifröcke des Lebens gut ertragen zu können.
walhalladada - 30. Okt, 13:50


Anousch O. - 30. Okt, 14:24

Hello and Goodby, inner Child!
books and more - 30. Okt, 14:56

Bei Lebt wohl, Kinder stockte mir ja kurz der Atem das Herz. Anousch wird doch nicht Ihren Blog schließen?!? Nein.



Willkommen draußen bei den Verrückten, z.B. ich wieder die letzten Tage ... Wenn man nur wüßte, woher das so alles kommt, nicht wahr, so biografisch? Ich wüßte da ja einiges SEHR gerne! Oder lieber nicht?

Charité - schon wieder so ein Poetenwort!

Prima Zeit wünscht Ihnen
Albert

Anousch O. - 30. Okt, 19:25

Ich weiß, wo alles herkommt, aber ich hätte gern noch eine Bestätigung. -
Schön auch, wie selbstironisch die Ärzte hier in Erfurt mit ihrem Provinzkomplex umgehen: "In der Charité werden sie vielleicht die Hände über den Köpfen zusammenschlagen: LYRICA - Um Himmels Willen!"


Barmherzige Grüße,
Anousch
tinius - 30. Okt, 15:10

Schön, Dich wieder in der Nähe zu wissen. :) Ich hoffe, die Stadt verzichtet darauf, wieder eine Drohkulisse aufzubauen, die ein Exil nötig macht. Das Vergnügen mit einem MRT hatte ich nur einmal. Es war zwar beeindruckend - und kalt, wie immer wenn Technik kühlgehalten werden muß - aber durch häufige Besuche beim CT gab es eine gewisse Abhärtung. LG tinius

Anousch O. - 31. Okt, 00:26

Worauf ich mich zaghaft freue: die Rote Insel, den Kottbusser Damm, den Landwehrkanal. Und: das Brandenburger Tor. Ich habe es hier immer als Hintergrundmotiv bei Politikerinterviews im Fernsehen gesehen und Sehnsucht bekommen. Ich werde mich mal (wieder) nächtens vor das illuminierte Brandenburger Tor stellen.

Liebe Grüße,
Anousch
g.emiks - 30. Okt, 15:40

ich winke ihnen nach.
vom rand des waldes.
wenn das herbstlaub nicht
wäre, ich würde frieren.

Anousch O. - 31. Okt, 00:27

Selbstmitleid ist der erste Schritt zur Besserung.
g.emiks - 31. Okt, 09:35

Selbstmitleid ist der erste/
Schritt in den abgrund ich/
Greife ins nasse laub und/
Wasche meine hände in/
Abgr.unschuld
kid37 - 30. Okt, 18:33

Schön, Sie wieder zurückzuhaben. Aus der Röhre ins Tekknostakkato der großen Stadt.

Anousch O. - 31. Okt, 00:32

Ja, und hatten wir nicht einen Termin im Theatrum anatomicum?

(Oder war es doch die Pathologische Sammlung?)


kid37 - 31. Okt, 00:49

Ich muß wirklich bald wieder in die böse große Stadt.
Anousch O. - 31. Okt, 12:16

Man sagt, hier steppe der Bär. Darauf ein Kindl, lieber Kid!
schneck08 - 31. Okt, 00:55

schön, dass die stadt sie wieder haben darf, zaghaft. genau wie der herr albert, so dachte auch ich zunächst, sie wollten ihr internetdingens schließen. sodann dachte ich, man habe während ihrer röhrenerlebnisse etwas schlimmeres feststellen wollen. (sehen sie? die angst sitzt allerorten). und von erfurt, so anundfürsich, da müssen sie noch eine menge erzählen! ich habe ja auch so meine erlebnisse mit erfurt.../(und auf die rote insel freue ich mich ebenso wie sie).

Anousch O. - 31. Okt, 13:00

Über zehn Jahre war ich so lang am Stück nicht wieder hier. Mal sehen, wie sich das anfühlt, wenn ich erst wieder dort bin. Lassens uns doch mal über Gesamtdeutsche Schwermut austauschen.

Herzlich, Anousch
twoblogs - 31. Okt, 13:05

Ich war schon zweimal in einem solchen Geraet, liebe anousch,
allerdings nur, um ein Knie und dann eine Schulter zu scannen.
Beide Male nach einem Sturz beim Inlineskaten. Das richtige
Stoppen habe ich erst nachher gelernt. Ich habe jedesmal abgelehnt, mich in eine Roehre schieben zu lassen; also kam ich in ein "offenes" Geraet.
Ich bewundere Sie fuer Ihre Selbstberuhigungsmethoden
und fuer Ihren Humor!
Bonne chance! Audrii

albannikolaiherbst - 31. Okt, 13:44

Ich war e i nmal in solch einem Gerät.

Freiwillig, ja mit Nachdruck, weil der Psychiater meinte, das sei absolut nicht nötig (ich hatte ihn konsultiert, weil ich leichte Sorgen hatte, zu Alzheimer zu tendieren - ich vergaß seinerzeit dauernd was). Die Angelegenheit war dann tatsächlich ohne Befund. Immerhin habe ich seither drei großformatige Schnittbilder von meinem Gehirn. Ich wollte die unbedingt mal als Cover eines meiner Bücher haben, aber bislang hat wirklich j e d e r Verlag mit Entsetzen abgewunken. Dabei ist mein Gehirn ausgesprochen kleidsam, finde ich.

Was mich in der Röhre genervt hat, war diese... na ja: "Musik" kann man nicht eigentlich sagen. Es war irgendein KItschgetröte, das deutlich unter akustischer Umweltverschmutzung lief. Als ich das verärgert hinterher äußerte, war man über m i c h verärgert. "Wir wollen unsere Patienten beruhigen!" "Ich will aber nicht beruhigt werden. Verdammt nochmal, für Ruhe hab ich Zeit, wenn ich tot bin. A u f r e g e n d soll es sein, nicht sedierend." Niemand verstand mich, ich hatte mal wieder meinen Charly-Brown-Pullover an.
Anousch O. - 31. Okt, 23:25

@Audrii

Da Sie, liebe Audrii, schon die kunstvolle Reproduzentin meiner Nasenmuscheln waren, lasse ich Ihnen gern, sobald ich sie habe, die Bilder meines Hirns und meiner Lunge (geröntgt) zukommen ;-)


Cordialement,
Anousch
Anousch O. - 31. Okt, 23:39

@ANH

Dichter im Charlie-Brown-Pullover wäre ein nicht minder schönes Cover.

g.emiks - 2. Nov, 15:49

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The Empress is a creator, be it creation of life, of romance, of art or business. While the Magician is the primal spark, the idea made real, and the High Priestess is the one who gives the idea a form, the Empress is the womb where it gestates and grows till it is ready to be born. This is why her symbol is Venus, goddess of beautiful things as well as love. Even so, the Empress is more Demeter, goddess of abundance, then sensual Venus. She is the giver of Earthly gifts, yet at the same time, she can, in anger withhold, as Demeter did when her daughter, Persephone, was kidnapped. In fury and grief, she kept the Earth barren till her child was returned to her.

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