1
Jul
2009

Dancer in the Dark - Zum Tod von Michael Jackson

Dancer in the Dark - Michael Jackson

The kid is not my son.

Billie Jean

Seit Tagen versuche ich etwas zum Tod Michael Jacksons zu bloggen. Irgendwie fand ich keinen Einstieg bis ich den schönen Text von Joey Goebel in der aktuellen Zeit las. Über folgendes Zitat winde ich mich nun in meinen Beitrag:

Mein Mitgefühl erlaubt mir, die abseitige Welt von Neverland zu übersehen und das Talent dieses Mannes anzuerkennen.

Zeitgemäß und überpünktlich erfuhr ich nachts via Twitter von Michael Jacksons Tod. Es hat mir zwar nicht den Boden unter den Füßen weggezogen, aber es gab da dieses diffuse Gefühl einer Differenz. Die Kombination der Wörter 'Michael Jackson' und 'died' wirkte irritierend, unwirklich. Da hört man mal wieder was von ihm und dann ist er tot. Andererseits lief er ja schon die letzten zehn Jahre als Zombie durch die Welt.
Als ich am nächsten Morgen vom D-Radio geweckt wurde, spürte ich, dass ich froh war, schon darüber bescheid zu wissen, weil mir somit ein ziemlicher Schreck erspart geblieben ist. Da merkte ich, wie sehr mich sein Tod berührt. Und seither betreibe ich Ursachenforschung, warum das so ist.

Ich war nämlich nie ein so großer Fan, und selbst wenn ich es gewesen wäre, dann hätte ich das in den Neunzigern nur leicht ironisch zugegeben. Mein Leben (und Leiden) drehte sich damals um Nirvana und alles, was laut und kaputt war. Nach dem Selbstmord Kurt Cobains fiel ich in meine erste Depression und die Wahrheit ist, dass ich das jetzt nicht mal nicht ironisch brechen kann.

Meine Trauer hat eigentlich nichts damit zu tun, dass es Michael Jackson jetzt nicht mehr gibt. Es gibt ihn schon so lange nicht mehr. Und selbst wenn er leben würde, hätte ich mir wahrscheinlich niemals ein neues Album von ihm gekauft. Meine Betroffenheit muss also von etwas anderem herrühren. Es hat etwas mit Transzendenz und Kunst/Künstlertum zu tun. Und mit Rührung. Zunächst aber vor allem mit seiner jahrzehntelangen Dauerpräsenz in allen Hemisphären. Niemand konnte ihm entkommen, man musste sich zwangsläufig zu ihm verhalten und wenn nicht durch Liebe, so durch Verachtung. Sogar meine Oma, eine thüringische Bäuerin, war stets von Michael Jackson fasziniert. Es sei nur an die vollkommen verrückten Auftritte bei "Wetten dass...?" erinnert.

Die(se) globale Popularität als Wert an sich anzuerkennen fällt schwer, wenn man seinen Adorno gelesen hat. Mir fiel das nie schwer und auch an Adorno mag ich seine Wunderlichkeit mehr als seine Moral, das verbindet ihn für mich mit MJ.
Nur wenn man die Mechanismen des Pop anzuerkennen vermag, anstatt sie unter ihren industriellen Aspekten zu verteufeln, wird man dauerhaft elektrisiert sein von Wahnsinn, Ekstase und Entgrenzung des Pop. Dauerhaft: Ich bin es seit meiner Kindheit und es hört einfach nicht auf.

Ausgerechnet "Thriller" mochte ich nie besonders. Aber alle anderen Number-One-Hits (und viel mehr kenne ich wahrscheinlich gar nicht) kann ich eigentlich immer hören ohne schlechte Laune zu kriegen. Viele liebe ich sogar: Billie Jean, Beat it, Dangerous, Earth Song, Will you be there...

Es ist aber der Tänzer Michael Jackson, den ich in den letzten Tagen wiederentdeckt und neu lieben gelernt habe. In den Neunzigern habe ich Jazz-Dance trainiert und wir versuchten ständig zu und wie Michael Jackson zu tanzen. Aber jetzt erst wird mir das ganze Ausmaß der überirdischen Perfektion und Schönheit der Jacksonschen Choreografien bewusst. Ich kann mich nicht satt sehen und YouTube läuft dieser Tage heiß bei mir. Am Freitag zeigte die ARD das legendäre Konzert 1992 in Bukarest. Ich saß mit meinen Schwestern und dem Quasi-Schwager in Leipzig vor dem Fernseher und wir waren komplett angefixt.

Es ist ja bereits auf die tragische Koinzidenz hingewiesen worden, dass in dem Jahr, in dem erstmalig ein Schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten wurde, derjeinige Superstar starb, der am meisten mit seiner Hautfarbe haderte. Afroamerikanisches Erbe hin oder her - auch Obama ist ein wahrer Bewegungskünstler. Man vergleiche es nur mit dem ungelenken Stampfen der teutonischen Merkel.

Und wie immer das nun rüberkommt, aber ich gestehe, dass ich den weißen Michael Jackson für die kurze Zeit vor seinem Verfall so unendlich schön finde. Und unendlich erotisch: die unfassbaren Bewegungen, der Exzess und die Andacht in seinen Performances. MJ steht auch für das zweifelhafte Wunder einer Erotik jenseits der Geschlechtlichkeit. Der ikonische Griff in den Schritt mag für ihn Anfang und Ende des eigenen Sexes gewesen sein. Und selbst wenn diese Geste obszön oder provokativ gemeint war, so wird sie doch transzendiert durch die reine Wesenhaftigkeit dieses zerbrechlichen Gesamtkunstwerkes.

Natürlich ist die Fallhöhe dieser Trauer enorm. Die Empathie ist in jedem Moment gefährdet von noch mehr und schlimmeren Enthüllungen bzw. Bewahrheitungen über seine gesteigerte Kinderliebe. Aber ich beobachte an mir die Tendenz Künstlern mehr zu verzeihen, als es die eigenen Werte und bürgerliche Gesetzbücher erlauben. Eine Bekannte meinte am Wochenende, diese Kinderschändungsanschuldigungen seien doch nur die Rache des weißen Amerika an einem Schwarzen, der gleichsam zu ihnen übergetreten ist.
Who knows.

Was bleibt.
Der ultimative Superlativ (750 Mio verkaufte Alben, wie alle wissen). Arbeit am Mythos und sicher Verschwörungstheorien, von denen noch die heute Ungeborenen wissen werden. Nun können wir nur noch eines Tages Madonna zu Grabe tragen, dann ist die Epoche der Olympier endgültig vorbei, was manche intellektuellen Spaßbremsen bestimmt kaum erwarten können. Madonna wird mich nie so berühren. Ihr Glanz wirkt immer etwas neonkalt vor lauter Kalkül. Ihr fehlt das Gebrochene. Dafür wird sie vermutlich länger leben. Hoffentlich.
Britney Spears hätte das Zeug, das heißt, die Körperlichkeit und die Tragik dazu gehabt, aber sie haben ihr nicht einen wirklich hinreißenden Song komponiert. Und außerdem war sie schon vor der Zeit hinüber.

Papst Johannes Paul II. war der erste Pop-Star im Vatikan. An seinem körperlichen Verfall konnte damals die Welt Anteil nehmen. Er zelebrierte geradezu die Sichtbarkeit des Todes. Michael Jackson versuchte sie lange Zeit hinter Sonnenbrillen, Mundschutzen und Masken zu verstecken. Ausgerechnet das Gesicht der größten Ikone des 20. Jahrhunderts glich mit den Jahren einem Gemetzel.

Als Johannes Paul II. starb, sagte der damalige Kardinal Ratzinger über ihn: "Er hat sich für uns hingegeben". Das ist das Mindeste, was sich auch über Michael Jackson sagen lässt.

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The Empress is a creator, be it creation of life, of romance, of art or business. While the Magician is the primal spark, the idea made real, and the High Priestess is the one who gives the idea a form, the Empress is the womb where it gestates and grows till it is ready to be born. This is why her symbol is Venus, goddess of beautiful things as well as love. Even so, the Empress is more Demeter, goddess of abundance, then sensual Venus. She is the giver of Earthly gifts, yet at the same time, she can, in anger withhold, as Demeter did when her daughter, Persephone, was kidnapped. In fury and grief, she kept the Earth barren till her child was returned to her.

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