Helvetische Nacht*
Beim Empfang glaubte ich, in der Schweiz sei die Armut ausgebrochen. Doch ich konnte in Erfahrung bringen, dass die Hausmeisterin alles in Handarbeit alleine zubereitet hat und somit wusste ich die Edamer-Sticks und Bacon-Chips entsprechend zu würdigen.
Zwischendrin und hinterher gab es Jazz. Mein Verhältnis zum Jazz ist noch ungeklärt, aber nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass (auch) hier nicht mein zukünftiger Ehemann und Vater meiner Kinder anwesend war, habe ich mich ganz der Musik hingegeben. Isoliert, ohne etwas zu wollen. Aber irgendwann will ich etwas. Ich hatte schon eingesehen, dass ich nicht auf meine Kosten kommen würde, was immer das heißt, aber es war Sommer, es war Nacht und Segelboote mit Backbord-und Steuerbord-Lichtern leuchteten rot und grün durch die warme Dunkelheit.
In der Bar gabs dann endlich Unterhaltung. Ein Pärchen, das sich demnächst vermählen wird, übertrumpfte sich gegenseitig in einem höchst vergnüglichen Witze-Erzähl-Contest, eine attraktive 51-Jährige (wie meine Mama: attraktiv und 51-jährig) wollte mich in Männer-Kunde erziehen und schließlich kam ich noch zu meinem einzigen Flirt an diesem Abend - mit der Praktikantin des Hauses, die mir schon die ganze Zeit über aufgefallen war. Eigentlich suche ich ja noch nach einer Gespielin, die mir und dem Chauffeur gefällt. Drei sind nicht unbedingt eine(r) zu viel.
Und so sehr wie ich tagsüber in und an Berlin leide, so sehr spüre ich nachts eine große Gelöstheit. Gar in Nächten wie dieser, mit fast nichts am Leib.
[*Die Veranstaltung fand übrigens nicht in der Schweizer Botschaft statt, sondern wurde andernorts von ihr ausgetragen. Direkt auf der innerstädtischen Spree ist das Segeln auch längst nicht so schön.]