16
Dez
2008

Zizou

Eben eine außergewöhnliche Doku auf ARTE gesehen. Neunzig Minuten die Kameras nur auf Zidane, keine Sprecher, nur Untertitel aus Zidane-Zitaten, Stadiongeräusche, Musik, Stille. Zidane ist ja der heimliche Mann meines Lebens.
Man spricht davon, jemand spiele wie ein junger Gott. Zidane aber wirkte immer wie ein alter Gott. Neunzig Minuten für die Ewigkeit, neunzig Minuten Kampf, Vergeblichkeit und Triumph.
Manchmal läuft man auf das Spielfeld ein und hat das Gefühl, alles sei schon entschieden. Als sei man machtlos. Als sei das Drehbuch bereits geschrieben.
Neunzig Minuten Konzentration und Körperlichkeit. Neunzig Minuten Meditation, Mystik und Ekstase. Und am Ende dann der jähe Umschlag des mönchischen Zidane in den thymotischen Zidane: Gerangel, Ausraster, rote Karte. Wenn der alte Gott vom Spielfeld ging, drehte sich die Welt nur noch in Zeitlupe.
Manchmal ist es nicht sehr viel, was die Magie ausmacht. - Eigentlich fast gar nichts.

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kid37 - 16. Dez, 12:28

Ich erinnere diesen schockierenden, sprachlosen Moment, die Verwirrung, das Abwarten, bis der Schiedsrichter in seiner Tasche nestelte und tatsächlich, ein Akt götzenstürzlerischer Blasphemie, Rot zeigte. Ich war gerade in Berlin, und die Stadt war für einen Augenblick ganz still.

Anousch O. - 16. Dez, 18:23

Es war ein Schock. Einer mit Ankündigung. Von Beginn an gab es einen dunklen Subtext, etwas wie ein unheilvolles Murmeln; man ahnte, dass dieses Spiel nicht gut ausgehen würde. Zunächst war Henry - wenn ich mich recht erinnere nach einem Zusammenprall - eine Weile betäubt und lief wie ferngesteuert über den Rasen. Und dann gab es diesen pathologischsten Elfmeter aller Zeiten: anstatt den Ball volley ins Eck zu donnern, lupfte ihn Zidane nur so nonchalant gegen die Unterlatte. Man wußte für lange Sekunden nicht, ob der Ball überhaupt hinter der Linie aufgekommen war. Da musste man das erste Mal in diesem Spiel an der Zurechnungsfähigkeit Zidanes zweifeln. Aber NIE an seiner Kunst. Es war das WM-Endspiel, aber Zidane war schon nicht mehr von dieser Welt. Es dräute. Und schließlich die Irritation, die erst nachgelieferten Bilder vom gerechten Kopfstoss, denn manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss. Es gibt dieses Foto, wo Zidane an der goldenen Trophäe ins Schwarz entschwindet. Ein epischer Moment.

Die großartige Doku zeigte ein beliebiges Spiel der Primera División vom 23. April 2005, und gerade deshalb war zu spüren, dass es beim (Fußball)-Spiel immer in jeder Sekunde um alles geht.
Gregor Keuschnig - 16. Dez, 18:31

Man darf nicht vergessen, dass Zidane schon früher solche Aussetzer hatte (wenn man jetzt einmal die These aufstellt, dass es ein "Aussetzer" war). Die rote Karte selber hätte streng genommen nicht gegeben werden dürfen, da ein Schiedsrichterassistent (früher: Linienrichter) den Kopfstoss selber nur auf der Fernsehleinwand des Stadions gesehen hat. Den "Videobeweis" gibt es aber im Fussball nicht, d. h. ein Schiedsrichter darf seine Entscheidungen nicht anhand von Wiederholungen im Fernsehen ausrichten.
Anousch O. - 16. Dez, 18:42

Das kommt noch dazu und nährte jedenfalls damals meine Wut, denn ich bin seit ich kein Teenager mehr bin, auch kein Fan mehr vom italienischen Fußball und ich erkenne diesen Titel bis heute nicht an. Aber für die Große Welterzählung war diese Kette an Ungeheuerlichem geradezu notwendig.

Die Aussetzer Zidanes, er hat ja unglaublich viele rote Karten gesehen, bestätigen ja nur seinen Genius. Es gibt inzwischen zahlreiche Aufsätze und Essays über "Zidanes Zorn". Einige habe ich hier liegen, vielleicht poste ich mal was darüber.
Gregor Keuschnig - 16. Dez, 21:56

Ja, dieses Phänomen "Zorn" muss ich mir auch noch einmal genauer ansehen (Sloterdijk?)...
kid37 - 16. Dez, 22:41

Ich bin ganz überrascht von Ihrem Interesse und Sachverstand. Meine eigene Karriere als Linksaußen verlief ja eher unspektakulär. Laufen konnte ich, links war ich auch, aber der große Heldeninstinkt war mir auf den Aschenplätzen meiner Jugend nicht gegeben. Immerhin war ich damals schon zäher als viele andere und als viele dachten.
Anousch O. - 17. Dez, 13:24

@Gregor

Ja, Sloterdijk. Er hat es zwar nicht erfunden, aber mal wieder den richtigen Riecher gehabt.
Anousch O. - 17. Dez, 13:32

@Kid

Ich bin eine echte Sportsfreundin. Sport gucken macht mich einfach glücklich. Früher sogar Sport treiben. Aber mir mangelts ja an Ehrgeiz. In meiner Kindheit hatte ich immer einen Ball am Fuß und Eisschnelllaufschuhe. Und bis vor zwei Jahren Boxhandschuhe an den Händen. Wie konnte ich das alles nur vernachläsigen? Dabei kann man sich mittels Bewegung so wunderbar die körpereigenen Drogen durch den Organismus pumpen. Eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität bringt nun das nach Jahrzehnten wiederentdeckte Radfahren. Und die nautischen Freuden kennen Sie ja selber:)
Titania Carthaga - 16. Dez, 22:14

Die Tragik erst kreiert Helden

Dazu gab es seinerzeit bei mir eine ganz rege Diskussion... Schade, dass ich die Doku verpasst habe, aber im Moment bestehe ich ausschließlich aus Arbeit, essen und (zu wenig) schlafen...

Anousch O. - 17. Dez, 13:37

Das stimmt. Aber noch größer als sein Abgang war sein Spiel. Und - by the way - seine Schönheit.
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