Sie sind an mir vorbeigelaufen. Hand in Hand. Sie trug Turnschuhe, enge Hose, kurze Jacke. Alles in weiß. Haare stark blondiert. Er trug Turnschuhe, hochgekrempelte Hose, Jacke mit einem Kampfhundkonterfei. Auch alles in weiß. Schädel kahl. Dem Outfit nach keine typischen Pro-Asyl-Mitglieder. Dann fiel mein Blick auf seine frisch vernähte Narbe am Unterschenkel. Kein glatter Schnitt, eher wie mit einem zerbrochenen Flaschenhals zerfurcht. Ich sah die Narbe und da habe ich es gewusst: Das sind meine nahsten Nachbarn. Jene, die sich Nacht für Nacht ihre verkümmerten Seelen aus den versoffenen Leibern brüllen, ihr Mobiliar zerhacken und ansonsten Heavy-Metal hören. Sie bewohnen ein Zimmer, Hinterhaus, Erdgeschoss, Nordseite, den Blick auf die Mülltonnen haben sie mit dunklen Bettlaken vor den Fenstern verhängt. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, aber als sie mich gestern 200 Meter vor der Haustür passierten, wusste ich, dass ich Wand an Wand mit
jungen Alkoholikern lebe.
Mitleid habe ich nur mit mir.
Zeit für einen bezahlten Job. Für eine neue
Wohnung. Aber noch verbindet mich mit dem kaputten Duo der Bezug von Transferleistungen.
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