Giwi, Katja und Sophie Charlotte - Na zdrowie!
Eigentlich will sie seit drei Tagen von der seltsamen Lesung zu Ehren des im Dezember 80 Jahre alt gewordenen Schriftstellers Giwi Margwelaschwili Bericht erstatten, davon, warum es stimmt, dass Nämlicher ein »waschechter Berliner und ein Jahrhundertautor« ist, und warum das auch wieder nicht stimmt. Davon, dass sie [Anousch] vermutet, dass der große Publikumsandrang im kleinen Literaturforum des Brecht-Hauses auch Katja Lange-Müller geschuldet war, von deren neuem Buch »Böse Schafe« man unterschiedliches hört, das aber Ingo Schulze dick lobt und was sich folglich in den Verkaufszahlen niederschlagen müsste, genau wie es Geld wert sein mag, wenn Danny Kehlmann etwas affirmatives über ein Buch äußert. Den betreffenden Autores sei es gegönnt. Ist ja ein harter Job.

Giwi jedenfalls ist trotz des »schwarzen Unglücksrabens«, der ihm sein Leben lang unermüdlich hinterher geflattert ist, nun 80 Jahre alt geworden. Ein Mann, dem man sein hohes Alter wohl ansieht, aber überhaupt nicht anhört. Sobald er seine Texte vorzutragen beginnt, spürt/weiß man einmal mehr, dass das Alter fast ausschließlich ein Körperliches ist. Und Giwi Margwelaschwili weiß, dass die Möglichkeiten vor großer Hörerschaft zu lesen nicht zahlreicher werden. Also fängt er an von seinen skurrilen »Lese-Lebens-Buchpersonen« zu erzählen, von »Lyrischen Ichs« außer Rand und Band, und von mancherlei Dingen, Wörtern und Phantasmen, die nur ahnen lassen, was für ein gewaltiges literarisches Paralleluniversum da existiert, nicht unbekannt, aber vermutlich zu großen Teilen nur von Eingeweihten gelesen: Er liest und liest und hört lange nicht auf und möchte gar nicht aufhören, wäre da nicht Katja Lange-Müller, um deren neues Buch es ja auch noch gehen soll, dessen Titel jedoch nicht einmal genannt wird. Ekkehard Maaß, (der auf älteren Fotos ein bisschen aussieht wie Walter Benjamin) sollte zwar den Abend moderieren, hält sich aber derart zurück, als wolle er demonstrativ von der georgischen Sitte Gebrauch machen, Frauen und Alten mit einem an Selbstaufgabe grenzenden Respekt zu begegnen. Die beiden Autoren nun sollen das jeweils neue Buch des anderen vorstellen. Katja Lange-Müller bespricht und bewirbt schließlich Margwelaschwilis neuen SciFi-Krimi »Officer Pembry« mit ziemlicher Verve und verstrickte sich und das Publikum in diese offenkundig konfuse, aber wohl auch konzise Story, in der u.a. Hannibal Lecter auftaucht. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und wäre wohl kaum auszuhalten gewesen ohne die Begeisterung der Rezensentin. Als Giwi an der Reihe ist über Katja Lange-Müllers Buch zu sprechen, wird er, der zuvor seine eigenen Geschichten mit jugendlichem Elan, spitzbübischer Keckheit und lauter Stimme vorzutragen wusste, plötzlich sehr leise, nuschelt etwas wonach ihn das Buch sehr angehe, es uns alle angehen sollte und verstummt jäh.
Doch plötzlich hebt der alte Dichter an vom »Zauberberg« zu schwärmen, vom »Hintergrundmenschen« Hans Castorp, von der Inkommensurabilität dieses gewaltigen Kunstwerkes. Und Katja Lange-Müller muss sich fragen, ob diese neuerliche Emphase als Vorwurf gegen ihr Buch zu verstehen ist. Denn anstatt noch einmal auf eben jenes zu sprechen kommen, beginnt Giwi unbeirrt weitere seiner Geschichtchen vorzulesen. Dies so Abservierte aber nimmt es gelassen und lobt und empfiehlt abschließend nochmals Giwi Margwelaschwilis Buch, bevor Ekkehard Maaß mit der beinah entschuldigenden Bemerkung über den vermeintlich langen Abend die Lesung für beendet erklärt. Da sind erst anderthalb Stunden vergangen.
Davon wollte Anousch berichten, aber dann war schon Samstag und mit ihm der Salon Sophie Charlotte, wohin sie ihren Chauffeur berufsbedingt begleitet hat, um sich bei der Musik Zelters und Faschs etwas zu langweilen und über die belehrend-pathologischen Briefe Heinrichs von Kleist zu amüsieren.
Am Sonntag schließlich zu Besuch bei der liebsten polnischen Freundin K., die mit einem lustigen Russen verheiratet ist – eine Kombination, die immer eine Garantie für Gastfreundschaft und leckere Verköstigung ist: Fischsuppe, Kuchen, Kaffee mit russischen Alkoholika und Zubrowska auf Apfelsaft (naturtrüb).
Ja und heute um 5.45 Uhr Wecker klingeln nach 2 Stunden Schlaf, um wiederum als Freundschaftsdienstleistung Model zu stehen für eine Friseur-Gesellinnenprüfung. Dafür musste Anousch ihr goldblondes Haar opfern zuungunsten eines undefinierbaren Rotkupfer-Mahagony-Gemischs, was sie arg betrübt und was nur durch die Freude über die bestandene Prüfung des lieben Mädels und durch den sehr guten Haarschnitt gemildert wird – und durch die Aussicht, die nächsten Tage eine Rückfärbung vornehmen zu können.
Bis dahin werde ich wohl nur gut behutet das Haus verlassen.
Hoffentlich wird es kalt.